Was kleine und mittlere Unternehmen sehen sollten

Nachhaltiges Führen und Beraten in KMU

 

Schon im Januar bzw. im Dezember 2020 haben Christian Thiele und Dr. Judith Mangelsdorf bei Xing Bedenkenswertes zu Führungskraft und Resilienz (insbesondere) in Krisen veröffentlicht.

 

Beide haben Erkenntnisse formuliert, die sich auf Unternehmen jeder Couleur und Größenordnung übertragen lassen. In größeren Unternehmen des Mittelstandes bis ins Großindustrielle hinein finden sich nicht nur die entsprechenden Adressaten, sondern auch eine breite vorhandene Offenheit für solches Wissen.

 

In kleineren- und mittleren Unternehmen (KMU), die häufig auch Familienunternehmen sind, fehlt meist nicht nur die Zeit, sondern auch eine Managementebene hinter der Unternehmensführung, welche die Unternehmenspraxis begleitet, hinterfragt und steuert. Nun liegt der KMU-Anteil am deutschen Unternehmensportfolio jedoch bei etwa 90% und die Summe der Wirtschaftsleistung immerhin bei über 40%. Für mich ein Grund, das Wissen aus dem vermeintlichen Oberhaus für KMU zu „übersetzen“ und zu spezifizieren.

 

Was Corona hier offen legt

 

Das Pandemie-Problem einer persönlichen Kontakt-„Sperre“ zu den Mitarbeitern reduziert sich in kleineren und mittleren Betrieben, zum Beispiel in Gartenbau und Handwerk, weitgehend auf Maske und Abstandhalten. Und weil viele Unternehmer*innen aus diesen Bereichen bisher weitgehend unbeschadet bis unerwartet erfolgreich durch die Cov2 Krise gekommen sind, scheinen sie ja alles richtig gemacht zu haben. Glück gehabt – und das notwendige „dicke Fell“ sowieso. Ohne eine ausgeprägte Resilienz sollte man/frau sich von unternehmerischer Selbstständigkeit eh am besten fern halten!

 

Resilienz bzw. ein „dickes Fell“ dürften aber nach dem Ansatz der beiden oben genannten Autoren nicht unbedingt zukunftsträchtig und nachhaltiger Unternehmensentwicklung dienlich sein.

 

Weil in KMU sehr häufig entscheidendes Entwicklungs- oder auch Verlustpotential auf der Mitarbeiterseite liegt, dürfte es sich lohnen, sowohl als Führungskraft als auch von Seiten der Beratung hier den Gedanken vieler interessanter Xing-Beiträge noch einen weiteren zur Seite zu stellen:

 

Was „Alltagsmasken“ teuer machen kann

 

Jede*r von uns trägt alltags unterschiedliche Masken. Allen gemein ist, dass wir uns vor Ansteckung schützen wollen. Wir brauchen unseren Rückzugsraum vor möglichen Verletzungen: beruflich durch Geschäftspartner und Kontrahenten, durch Stimmungen, Launen, Unzufriedenheit der Mitarbeiter und – oft nur geahnter – Kritik der Menschen, mit denen eine dichte Zusammenarbeit unabdingbar ist. Werden solche Begegnungen irgendwann „viral“, dann schwächt das alle Kräfte, die wir in unserer immer noch mehr drängenden Geschäftswelt so enorm brauchen.

 

-          Viele entdecken in dieser Pandemie die Entlastung von bedrängenden Begegnungen, und - dass sich Nähe maskenlos und freiwillig dort genießen lässt, wo das nötige gegenseitige Vertrauen – im doppelten Sinne – zu Hause ist.

-          Inzwischen haben die meisten von uns aber auch gelernt, trotz Schutzmasken und Abstand Kontakte zu pflegen und sich offen und verständlich auszutauschen.

 

Wenn Führungskräfte diese beiden Erfahrungen bewusst wahrnehmen, dann ergibt sich daraus die Chance, dort zukünftig zu punkten, wo momentan in KMU-Betrieben der Schuh mit am meisten drückt und ein Kostenfaktor von bis zu 40 Prozent in Gewinn umgemünzt werden muss: bei den Mit-Arbeitern.

 

Beginnen wir mit der Kontaktpflege: Pflegliches Umgehen erfordert wissende Nähe, die im – scheinbar unausweichlichen – Stress des betrieblichen Alltags nicht so leicht herzustellen und durchzuhalten ist. Große Mühe wird durchweg in die Nähe zu den zahlenden Geschäftspartnern investiert – das Interesse an den Mitarbeitern scheint sich dagegen oft auf die Lohnzahlung zu beschränken. Und in diesem Zusammenhang insbesondere darauf, dass sie dazu angestellt wurden, dem Unternehmen möglichst viel Gewinn zu bringen. Haben sich Unternehmer und Führungskräfte mit solch berechtigter, aber einseitiger Sichtweise „infiziert“, die Arbeitnehmer aber mit dem Gegen-Bild, dass sie so einseitig wahrgenommen und behandelt werden, dann tragen beide Seiten bald eine undurchdringliche Maske.

 

Weil jede Seite zu wissen glaubt, was sich hinter der Maske gegenüber verbirgt, versteht man einander nicht und traut man einander bald nicht mehr über den Weg. Informationen werden immer mit dem Bild (hinter) der Gegenmaske abgeglichen und damit höchstens bedingt verstanden. Wo Nähe und Vertrauen fehlen, fühlt sich keine Seite mehr so recht zu Hause. Und nur das Zuhause ist so wichtig, dass darin freiwillig engagiert – und weitgehend sogar verschleißfrei - die Kräfte bis zum Anschlag investiert werden. Wer sich nicht zu Hause fühlt, kümmert sich in der Regel nicht, und wenn, dann nur nach dem Wortlaut von Anweisungen. Über 60 Prozent der deutschen Arbeitnehmer sollen sich laut Gallup zur Zeit auf „Dienst nach Vorschrift“ beschränken.

 

Die etwa 16 Prozent, welche sich längst „verabschiedet“ haben, werden nur schwerlich zurückzugewinnen sein. Wem es aber gelingt, die rund 15 Prozent der engagierten Mit-Arbeiter wenigstens durch einen Teil der „nach Vorschrift“ Arbeitenden aufzustocken, gewinnt dreifach:

 

-          Leistung, Qualität und Gewinn seines Unternehmens verbessern sich.

-          Dem Unternehmen verbundene, wertgeschätzte Mit-Arbeiter erkranken weniger und er-sparen teure Ausfallzeiten.

-          Unternehmerischer Stress reduziert sich, weil aus Mitarbeitern Mit-Arbeiter und Mit-Denker geworden sind, und zum betriebswirtschaftlichen Plus gesellen sich auf beiden Seiten persönliche Entspannung und Zufriedenheit.

 

Bedingungen und Chancen „maskenfreier“ Beratung

 

Die Notwendigkeit, zunehmend stärker in dieser Richtung zu beraten, klingt in vielen Beiträgen bei Xing wie auch in der entsprechenden Literatur an, die Bedingungen für ein Gelingen sollten meines Erachtens noch vertiefend betrachtet werden:

 

KMU stehen häufig in Familientraditionen, die von hohem praktischen Know How geprägt sind. Dieses bei Bedarf kreativ anzupassen, ist durchweg kein essenzielles Problem. In der zunehmend enger getakteten Wirtschaftswelt führen die weitgehend durch Anschauung übernommenen Führungsstrukturen jedoch häufig dazu, dass die steigenden Herausforderungen durch erhöhtes Tempo ausgeglichen werden. Dadurch bleibt für eine bodenständige und gleichzeitig situativ offene Planung und besonders auch für eine wertschätzende Wahrnehmung der Mitarbeiter in der Regel wenig Zeit.

 

Hier wird zudem, solange die wirtschaftlichen Ressourcen noch beruhigend erscheinen, eine Beratung, wie sie oben skizziert ist, in der Regel kaum als notwendig gesehen. Zumal Beratungen nach eigenen oder Umkreiserfahrungen oft zu teuer erscheinen und ihre Vorschläge vielfach in irgendeiner Schublade gelandet sind: Zu umfassend, zu perfekt, zu allgemein.

 

Beratung muss also

 

-          zu allererst ihre eventuelle Klientel und deren Ablehnung hinter ihrer Vorbehalts-„Maske“ verstehen können. Dazu braucht sie Einblicke, am besten Erfahrungen mit bzw. in KMU und dahinter stehenden Familienstrukturen.

-          aus diesem Kenntnisstand heraus dem Gegenüber deutlich machen können, dass Stress und Hektik zu nicht geringem Teil auf ungelösten und verschütteten Fragen basieren.

-          empathisch hinhören wollen und so erkennen können, wie die Unternehmensleitung denkt und – vor allem auch -empfindet.

-          daraufhin Lösungsansätze zunächst mit und in der jeweiligen Person suchen sowie Willen und Wege zu ihrer Umsetzung motivierend begleiten.

-          für jeden Beratungsfall das eigene Know How hinterfragen und so einsetzen und aufarbeiten, dass es das jeweilige Gegenüber nicht mit umfassender Wucht erschlägt, mit seiner Perfektion nicht den Glauben an ein hinreichendes Gelingen nimmt und so installiert werden kann, dass es die Umsetzung über längere Zeit mit motivierenden Impulsen begleitet.

 

Wer also sein betriebswirtschaftliches Handwerk „brauchbar“ beherrscht, vor allem aber mit hoher Sensibilität und persönlicher Demut und Bescheidenheit den Klienten hilft, eigene Wege zu finden und eigene neue Handlungsräume zu entdecken und einzunehmen, dürfte als Dienst-Leister wahrgenommen und um seine Hilfe gebeten werden. Wichtig ist sie im Hinblick auf Gewinn, Qualität und Nachhaltigkeit vieler Unternehmen sowie die Gesundheit und Zufriedenheit aller an ihren Prozessen Beteiligten allemal.